THEATERTEXTE Darja

Es sollte ein schöner Tag werden, der erste Hochzeitstag in der jungen Ehe von Darja und Hermann, und anschließend ein noch schönerer Abend. Der Lehrer für Deutsch und Geschichte gibt sich Mühe zu amüsieren, seine Frau zu belehren und witzig zu sein, aber die Leidenschaft hat es schwer im niedersächsischen Naherholungsgebiet Steinhuder Meer. Nur flanierende Rentner und eine Möwe, die den kleinen Binnensee offenbar mit der Nordsee verwechselt hat. Sehnsucht liegt immer nur in der Ferne, so richtet sich Darjas inneres Auge immer wieder zurück in ihre Heimat, wo ein brutaler Krieg herrscht, der die Zivilgesellschaft zerrüttet hat, auch ihre Familie. Sie war mit ihrem Sohn ins Exil geflohen, nachdem sie einen verbrannten Körper als ihren ersten Ehemann identifiziert hatte. Ihre Hochzeit ein Jahr zuvor hatten Darja und Hermann nur im engsten Freundeskreis gefeiert, denn Darjas Familie würde wenig Verständnis für ihre neue Beziehung zu einem Deutschen haben, und Hermanns Familie hätte wenig Verständnis für seine Ehe mit einer Ausländerin, die aus erster Ehe ein Kind mitbringt. Hermann ist immer hilfsbereit, aber er übertreibt es, er möchte seine Frau zu einer richtigen Deutschen umerziehen, damit sie eines Tages die Anerkennung seiner Familie erhält. Darja verschließt sich ihm gegenüber zunehmend, je mehr er versucht, in ihre Persönlichkeit einzudringen. Sind es ihre furchtbaren Erfahrungen aus dem brutalen Krieg oder verschmäht sie seine Liebe? Hermanns Geduld scheint bald aufgebraucht, doch ein Besucher aus Darjas Heimat bringt am Hochzeitstagsabend die Wende. Doch bald missversteht Hermann die Motive seiner Frau Darja, die zitternd vor Sorge um ihre Angehörigen an den Lippen des Gastes hängt, nicht vor Begierde...